Irgendwie ist das hier alles ziemlich Fake, denke ich, als ich mir
das kurze, schwarze Glitzertop überstreife, das am Bauch immer so scheuert.
Dabei habe ich mich eben noch so wohl gefühlt in meinem durchlöcherten oversize
Shirt und der verwaschenen Jogginghose. Die High-heels sind mir ein bisschen zu
klein, passen aber zum Outfit. Augen zu und durch. Make up? Habe ich noch nie
gemocht. Das fühlt sich irgendwie falsch an. Unecht. Trotzdem trage ich jetzt
eine dicke Schicht davon auf - Ich bin diese roten Stellen im Gesicht einfach
leid. Ich ziehe meinen Liedstrich nach und ertappe mich dabei, wie ich zum
fünften Mal zum Haarspray greife. Draußen regnet es und das Letzte das ich
gebrauchen kann ist eine ruinierte Frisur. Ein letzter, prüfender Blick in den
Spiegel. Ich bin...zufrieden. Auf einer Skala von 1 - 10 vielleicht eine 7. Das
ist okay. Das ist Solide. Ein Foto für Instagram und eins für Snapchat. Wieder der gleiche Filter wie
beim Letzen Mal. Der lässt das Gesicht immer so schön schmal aussehen.
Im free to be the greatest, Im alive. singt Sia, als ich später zu meinen Freunden ins Auto steige aber Ich höre nur mit halben Ohr hin. Der Regen prasselt jetzt in dicken Tropfen gegen die Autoscheibe. ,,Hat zufällig jemand einen Schirm dabei?“
Draußen, vor dem Club weiß ich, dass ich mich für das richtige Outfit
entschieden habe, als ich sehe, dass ich perfekt in die Schlange passe. Ich
falle nicht auf, bin erleichtert. Heute bin ich eine 7. Das scheint ein guter Schnitt zu sein, denn wir gleichen einander.
Und dann? Schüttelt der
Türsteher energisch den Kopf. Sorry! Ihr
nicht. - Mein Freund Trägt die falschen Schuhe. Also weitersuchen!
Auf dem Weg zur nächsten Party, verpasse ich den Witz, den T. erzählt und die Restaurantempfehlung von K.
Ich bin auf den Schirm fixiert, den ich so fest umklammere, als fürchte ich,
jemand könnte ihn mir gleich aus der Hand reißen. Ich habe es eilig, traue mich
nicht nach oben zu gucken. Der Wind peitscht uns entgegen und ich möchte nicht
das meine Schminke verwischt. Nicht bevor wir im Club sind.
Der Abend beginnt für mich erst, als wir an der Garderobe endlich unsere
Jacken abgeben. Auf dem Weg zur Bar, kann ich – trotz des dämmrigen Lichts -
der Versuchung nicht wiederstehen, einen Blick in den Spiegel zu werfen. Sofort
bereue ich es. Bin enttäuscht. Vielleicht sogar ein bisschen verärgert. Warum haben wir uns ausgerechnet diesen Tag ausgesucht?
Meine Haare sind vom Wind ganz verknotet und unter meinen Augen zeichnen sich
von der Wimperntusche ein paar dünne schwarze Linien ab. Ich sehe mich um.
Heute bin ich eine 7 und ich frage mich, wie die 10, die sich neben mir neuen
Lippenstift auf die perfekt geschwungenen Lippen aufträgt, es wohl schafft eine
10 zu sein.
Irgendwann sind wir alle ein bisschen beschwipst. Während ich die Arme in die Luft werfe und mich
zum Rhythmus bewege, beginnt mein Blick zwischen all den Leuten umher zu wandern.
Ich sehe an mir herunter. Zu meinen Freunden. Zu dem Mädchen neben uns. Zu dem Typen an der Bar...
Vergleiche. Analysiere. Was sie wohl von mir denken? Ich gerate aus dem Takt. Immer wieder. Bin konzentriert. Bloß keine falsche Bewegung. Das kann ja nicht so schwer sein.
Zwei Typen stehen in der Mitte der Tanzfläche. Beide sehen gleich aus. Beide sehen aus wie jeder Andere. Weiße Schuhe. Dunkle Jeans. Tshirt. V-Ausschnitt. Sie sehen das Mädchen neben mir. Meine Freunde. Mich. Sie Begutachten. Bewerten. Schütteln nacheinander prüfend den Kopf. Als hätte ich den Test nicht bestanden. Als wäre ich durchgefallen.
Heute bin ich eine 7. Sie wollen eine 10.
Ich ärgere mich. Nicht über sie. Nicht darüber das ich eine 7 bin. Vielmehr über mich. Über die verschwendete Zeit. Über die verschwendeten Gedanken. Heute Abend war da zu wenig von mir. Zu wenig Ich.
Auf dem Weg zum Auto, binde ich meine Haare zu einem Zopf zusammen, denn: So stören sie mich nicht. Mir ist es egal wie ich aussehe. Wir fahren eh nach Hause. Ich ziehe meine High Hehls aus. Kann meine Zehen wieder spüren. Gehe Barfuß, nehme jede Pfütze mit, an der wir vorbei kommen.
Zu Hause fühlt es sich an, als würde ich mir eine Maske vom Gesicht nehmen, als unter der Dusche die letzten Reste des Make-ups im Abfluss verschwinden. Ich greife nach meinem oversitze Shirt und der verwaschenen Jogginghose. Der Stoff fühlt sich vertraut an meiner Haut an. Irgendwie echt. Wie ich.
Heute war ich eine 7. Vielleicht bin ich morgen eine 8. Nächste Woche bin ich vielleicht nur eine 5 und irgendwann? Irgendwann werde Ich vielleicht Mal eine 10 sein. Aber das hat absolut nichts mit mir zu tun. Ein letzter Blick in den Spiegel. Zufrieden. Das sieht vertraut aus. Das bin ich. Ohne Wertungssystem, ohne Skala. Einfach ich... Und das ist gut so.
*Foto von Unsplash
*Foto von Unsplash